Die Geheimnisse der Champagnerherstellung

Die Herstellung von Champagner ist eine Jahrhunderte alte Kunst, die durch die traditionelle Flaschengärung geprägt wird. Diese Methode, auch als Méthode Traditionnelle bekannt, steht für höchste Qualität und Handwerkskunst bei der Herstellung von Schaumweinen. Doch was genau macht diese Methode so besonders? Welche Prozesse liegen ihr zugrunde, und welche Einflussmöglichkeiten hat der Winzer, um die Einzigartigkeit jedes einzelnen Champagners zu formen?

In diesem umfassenden Beitrag werden wir die einzelnen Schritte der Champagnerherstellung genau betrachten und dabei die Bedeutung der traditionellen Flaschengärung in den Mittelpunkt stellen. Lassen Sie uns in die faszinierende Welt des Champagners eintauchen.

Der Ursprung der Méthode Traditionnelle: Von Zufällen zur Perfektion

Die traditionelle Flaschengärung war ursprünglich ein unerwünschtes Phänomen. Die zweite Gärung, die während der Weinlagerung auftreten konnte, wurde lange Zeit als Makel betrachtet. Erst durch wissenschaftliche Fortschritte, wie die Entdeckung der Rolle von Hefen bei der Gärung und die Entwicklung stabiler Flaschen, wurde es möglich, die zweite Gärung gezielt zu steuern. Heute ist diese Methode das Herzstück der Champagnerherstellung und wird weltweit für die Produktion hochwertiger Schaumweine eingesetzt.

Die Méthode Champenoise, wie sie in der Champagne genannt wird, darf aufgrund ihrer geschützten Herkunftsbezeichnung nur für dort produzierte Schaumweine verwendet werden. Außerhalb der Champagne spricht man von der Méthode Traditionnelle, die jedoch nach denselben Prinzipien funktioniert. Schaumweine wie Cava, Franciacorta, Trento DOC, Crémant oder Winzersekt folgen diesem Verfahren.

Die Ernte: Der erste Schritt zum perfekten Champagner

Die Qualität eines Champagners beginnt im Weinberg. Der richtige Zeitpunkt der Ernte ist entscheidend, um die Balance zwischen Säure, Zucker und Aromen zu wahren. Die Traubenlese in der Champagne erfolgt in der Regel von Ende August bis Anfang September – immer von Hand, um die empfindlichen Trauben zu schonen. Viele Winzer setzen auf nachhaltige Anbaumethoden und arbeiten eng mit erfahrenen Ernteteams zusammen, um höchste Qualität zu garantieren.

Die Erntemenge wird jährlich vom CIVC (Comité Interprofessionnel du Vin de Champagne) festgelegt. Dieses Gremium reguliert die Produktion, um Marktschwankungen auszugleichen. Für die Winzer bedeutet dies jedoch oft, dass sie ihre Erträge unabhängig von der eigenen Ertragslage anpassen müssen.

Das Pressen: Die Gewinnung des Traubenmosts

Nach der Ernte gelangen die Trauben zur Kelter, wo sie einer Ganztraubenpressung unterzogen werden. Diese Methode erlaubt es, die Trauben ohne vorheriges Quetschen zu pressen, was die Reinheit und Qualität des Mostes bewahrt. Traditionell kommen hierbei Coquard-Pressen zum Einsatz – breite und flache Holzkorbpressen, die speziell für die Champagne entwickelt wurden.

Die erste Pressung, bekannt als Cuvée, liefert den hochwertigsten Most. Sie macht bis zu 80 % des gesamten Saftes aus. Die anschließenden Pressungen ergeben die sogenannte Taille, die mehr Bitterstoffe und weniger Säure enthält und daher oft nicht für die Champagnerherstellung verwendet wird.

Die erste Gärung: Der Vin Clair entsteht

Die erste Gärung verwandelt den Traubenmost in einen trockenen Grundwein, den Vin Clair. Hierbei wird Zucker durch Hefe in Alkohol umgewandelt. Winzer haben die Wahl zwischen Reinzuchthefen, die eine kontrollierte Gärung ermöglichen, und wilden Hefen, die dem Wein einen individuellen Charakter verleihen, aber weniger zuverlässig arbeiten.

Der Vin Clair ist ein stiller Wein mit hohem Säuregehalt, der die Basis für den Champagner bildet. Bereits in dieser Phase kann der Winzer durch verschiedene Techniken, wie den biologischen Säureabbau oder den Einsatz von Holzfässern, den Stil des späteren Champagners beeinflussen.

Der Begriff Ausbau beschreibt die Phase der Entwicklung eines Weins im Keller – von der Gärung bis hin zur Abfüllung. Im Kontext der Champagnerherstellung bezieht sich der Ausbau speziell auf die Zeit vor der Abfüllung in Flaschen für die zweite Gärung. Während dieser Phase hat der Winzer eine Vielzahl von Gestaltungsmöglichkeiten, um den Charakter des späteren Champagners zu prägen. Die Ansätze variieren stark und lassen sich grob in folgende Kategorien unterteilen:


1. Reduktiver Ausbau

Beim reduktiven Ausbau wird der Kontakt des Weins mit Sauerstoff bewusst minimiert. Der Grundwein wird in luftundurchlässigen Behältern wie Edelstahl- oder Betontanks gelagert. Einige Produzenten nutzen zusätzlich Schutzgase oder Verfahren wie das Jetting, um den Sauerstoffeinfluss weiter zu reduzieren.

Dieser Prozess bewahrt die frischen Fruchtaromen des Weins, verleiht ihm jedoch auch einen spezifischen reduktiven Charakter. Solche Weine können Noten von Schwefelwasserstoff entwickeln, die an Feuerstein erinnern. Bei einer längeren Lagerung auf der Hefe – insbesondere über fünf Jahre hinaus – können sich diese reduktiven Noten intensivieren und Aromen wie abgebrannte Streichhölzer oder Schwarzpulver hervorrufen. Dieser Stil ist besonders für Liebhaber von mineralisch geprägten Champagnern interessant.


2. Oxidativer Ausbau

Im Gegensatz dazu setzt der oxidative Ausbau auf einen gezielten Kontakt mit Sauerstoff. Der Wein reift in Behältnissen wie Holzfässern, Terrakotta-Amphoren oder Tongefäßen, die den Austausch mit Sauerstoff fördern.

Dieser Ausbaustil führt zu einem völlig anderen Aromenspektrum. Die Weine entwickeln Noten von Trockenfrüchten, Nüssen und Gewürzen, die dem Champagner eine warme, komplexe und vielschichtige Struktur verleihen. Der oxidative Ausbau wird oft gewählt, um Champagner mit mehr Reife und Tiefe herzustellen, die sich ideal für ein langes Hefelager eignen.


3. Ausgedehntes Hefelager

Ein längeres Hefelager bietet dem Winzer die Möglichkeit, den Körper und die Struktur des Grundweins entscheidend zu beeinflussen. Während der Lagerung setzt sich die abgestorbene Hefe (Grobhefe) am Boden ab. Je nach Herangehensweise bleibt der Wein im Kontakt mit dieser Hefe oder wird in ein anderes Gefäß umgefüllt, wodurch er nur noch auf der feineren Hefe (Feinhefe) ruht.

Der Kontakt mit der Hefe über Monate hinweg bereichert den Wein mit zusätzlichen Aromen und sorgt für ein cremigeres Mundgefühl. Dieser Prozess kann den Champagner robuster machen und ihm mehr Tiefgründigkeit verleihen. Zudem trägt ein langes Hefelager zur Stabilisierung des Weins bei, sodass auf Filtration und Schönung häufig verzichtet werden kann.


4. Filtration und Schönung

Filtration und Schönung dienen der Stabilisierung des Grundweins, indem sie Feststoffe und unerwünschte Mikropartikel entfernen. Zur Schönung werden Mittel wie Hühnereiweiß oder Bentonit eingesetzt, die Trübstoffe binden und so verhindern, dass sich später ein Depot in der Flasche bildet.

Diese Verfahren können jedoch auch einige der aromatischen und geschmacklichen Nuancen des Weins mindern, da neben unerwünschten Stoffen auch wertvolle Aromaträger entfernt werden. Viele qualitätsorientierte Winzer verzichten daher ganz oder teilweise auf diese Prozesse. Ein späterer Zeitpunkt für die Tirage (Abfüllung zur zweiten Gärung) kann ebenfalls helfen, die Notwendigkeit von Filtration und Schönung zu minimieren und die natürliche Vielschichtigkeit des Weins zu bewahren.


5. Umgang mit Schwefel

In der Ausbauphase wird Schwefel sehr zurückhaltend eingesetzt, da er die Hefe bei der bevorstehenden zweiten Gärung beeinträchtigen könnte. Schwefel hat eine desinfizierende Wirkung, die unerwünschte Hefen und Bakterien hemmt, was insbesondere bei Stillweinen wichtig ist. Doch bei Grundweinen für Champagner sorgt der niedrige pH-Wert (hohe Säure) bereits für eine gute Stabilität.

Zusätzlich schützt der Druck, der während der zweiten Gärung in der Flasche entsteht, den Champagner vor äußerer Kontamination. Das ermöglicht es, mit minimalen Schwefelmengen zu arbeiten. Diese Zurückhaltung kommt der Aromatik zugute, da ein geringer Schwefeleinsatz die Frische und Klarheit des Champagners bewahrt.


Eine Vielfalt an Stilrichtungen

Die Ausbauphase eines Champagners ist eine entscheidende Etappe, in der der Winzer die Weichen für den späteren Stil und Charakter seines Weins stellt. Ob reduktiv oder oxidativ, mit langem Hefelager oder minimalem Eingriff – jeder Ansatz bietet einzigartige Möglichkeiten, den Champagner auf ein neues Qualitätsniveau zu heben. Die Kunst liegt darin, diese Techniken so einzusetzen, dass sie ein harmonisches und ausdrucksstarkes Gesamtbild ergeben.

Assemblage: Die Kunst des Verschneidens

Die Assemblage, das Verschneiden der Grundweine, ist ein zentraler Schritt in der Champagnerherstellung. Winzer kombinieren Weine aus verschiedenen Rebsorten, Jahrgängen und Lagen, um die gewünschte Balance, Komplexität und Stilistik zu erzielen. Reserveweine aus älteren Jahrgängen können dabei helfen, die Qualität konstant zu halten oder dem Champagner zusätzliche Reife zu verleihen.

Dieser Schritt erfordert ein hohes Mass an Expertise und Kreativität, da der Winzer hier seine persönliche Handschrift einbringen kann.

Die zweite Gärung: Der Beginn des Prickelns

Nach der Assemblage wird der Grundwein zusammen mit dem Liqueur de Tirage, einer Mischung aus Zucker und Hefe, in Flaschen abgefüllt und mit einem Kronkorken verschlossen. Diese Mischung leitet die zweite Gärung ein, bei der Kohlensäure und zusätzlicher Alkohol entstehen.

Die zweite Gärung findet in den kühlen Kellern der Champagne statt, wo die Flaschen mindestens 12 Monate lagern müssen. Während dieser Zeit setzt sich die abgestorbene Hefe am Flaschenboden ab und beginnt, den Wein zu beeinflussen. Dieser Prozess, bekannt als Autolyse, verleiht dem Champagner seine charakteristischen Aromen von Brioche, Nüssen und getoastetem Brot.

Hefelagerung und Rütteln

Die Dauer der Hefelagerung ist ein entscheidender Faktor für den Stil eines Champagners. Ein längeres Hefelager führt zu mehr Komplexität und einem volleren Körper, während ein kürzeres Lager die Frische und Frucht betont. Spitzenchampagner reifen oft mehrere Jahre auf der Hefe, um besonders vielschichtige Aromen zu entwickeln.

Vor dem Degorgieren, also der Entfernung der Hefe, werden die Flaschen gerüttelt. Hierbei wird das Hefedepot durch tägliches Drehen und Aufrichten der Flaschen in den Hals befördert – traditionell per Hand oder maschinell in sogenannten Gyropaletten.

Degorgieren und Dosage: Der letzte Feinschliff

Beim Degorgieren wird das Hefedepot entfernt. Anschließend erhält der Champagner seine Dosage, eine Mischung aus Wein und Zucker, die den Süßegrad des Endprodukts bestimmt. Die Skala reicht von Brut Nature (kein Zuckerzusatz) bis Doux (über 50 Gramm Zucker pro Liter).

Qualitätswinzer setzen häufig auf minimalen oder keinen Zuckerzusatz, um die Authentizität ihrer Weine zu bewahren. Nach der Dosage wird die Flasche endgültig verkorkt, mit einer Agraffe gesichert und für den Versand vorbereitet.

Die Magie der Méthode Traditionnelle

Die traditionelle Flaschengärung ist also weit mehr als nur ein Herstellungsverfahren – sie ist eine Kunstform, die von Generation zu Generation weitergegeben wird. Jeder Schritt, von der Ernte bis zur Dosage, bietet dem Winzer zahlreiche Möglichkeiten, den Charakter seines Champagners zu gestalten. Das Ergebnis sind Weine, die nicht nur durch ihre Eleganz und Komplexität, sondern vor allem durch ihre Individualität begeistern.

 

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